7) Herausforderung High Sierra – Ein Drittel des PCT geschafft
- Yann Roma
- 15. Mai
- 9 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 16. Mai

Da bin ich also. In Kennedy Meadows South, der Beginn der High Sierras. Einer der schönsten Abschnitte des gesamten Pacific Crest Trails. Darauf habe ich mich schon richtig gefreut.
Bevor es losging, habe ich aber zwei Tage in Kennedy Meadows South verbracht, wo ich mich ein wenig ausgeruht habe, Kleider gewaschen habe, den Hunger gestillt habe und ich mich auf die High Sierras vorbereitet habe.
Zur Vorbereitung gehören verschiedene Sachen. Fangen wir bei der Nahrung an. In den High Sierras zu wandern, bedeutet, dass man sich ständig in den Bergen fernab der Zivilisation befindet. Man ist mitten in der Natur und sonst gibt es hier absolut nichts. Auch kein Empfang. Will man sich zurück in die Zivilisation, um zum Beispiel Nahrung zu kaufen, muss man oft einen längeren Weg laufen und meistens auch über einen Pass. Meine Gruppe und ich haben uns entschieden am 6. Tag über den Kearsarge Pass zu laufen und dann dort mittels einem Trailangel nach Bishop zu fahren und Nahrung zu kaufen. Das heisst, Nahrung für 6 Tage plus 1–2 Tage Reserven mitschleppen. Und das muss alles irgendwie in meinen Rucksack rein.
Weiter geht’s mit Material. Als ich den PCT angefangen habe, hatte es in den High Sierras nicht überdurchschnittlich viel Schnee. Dann aber, während ich im südkalifornischen Teil war, gab es einige Male Niederschlag. Und da ich gegenüber den meisten anderen etwas mehr Kilometer am Tag gelaufen bin, war ich doch eher ein wenig früh in Kennedy Meadows South. Vor uns ist lediglich eine Gruppe mit 2 Personen in die Sierras gestartet. Feedback von dieser Gruppe wussten wir, dass da schon noch ziemlich viel Schnee lag. An Microspikes und Pickel war deshalb nicht wegzudenken. Dies hatte ich mir bereits nach Kennedy Meadows South geschickt, nachdem ich den San Jacinto bestiegen hatte. Zusätzlich habe ich mir Sealskin-Socken gekauft. Mit denen bleibt man erstaunlich lange trocken, wenn man durch Schnee läuft, und sie schützen gegen Kälte. Zusätzlich braucht man für diesen Teil des PCTs einen Bärenkanister, um das Essen vor den Bären zu schützen. Und ich habe mir noch eine weitere Powerbank zugelegt, da ich das Handy (mittels Farout App) zum Navigieren brauche und deshalb aufladen muss – und ich auch die Stirnlampe aufladen muss, weil wir des Öfteren nachts laufen werden. Nochmals zusätzliches Gewicht.
In Kennedy Meadows South gibt’s eigentlich nicht viel. Für uns Hiker gibt es zwei Orte, an denen man campen und sich verpflegen kann. An einem dieser Orte gibt es riesige Burger – den grössten, den ich in meinem Leben je gegessen habe. Und morgens gibt es all-you-can-eat Pancakes. Wir haben uns dort richtig satt gegessen, um Kräfte zu sammeln.
Wir waren alle etwas nervös (vor allem wegen der Schneesituation), freuten uns aber riesig auf die kommenden Tage. Aufgrund des Schnees haben wir uns entschieden, früh morgens, also eigentlich nachts, mit dem Laufen zu beginnen. Am ersten Tag hatte es zwar nicht viel Schnee, trotzdem starteten wir früh, um in den Rhythmus zu kommen. Der erste Tag war ganz okay. Zuerst ging es leicht bergauf, bald sahen wir zum ersten Mal die verschneiten Berge, und nach der Mittagspause wurde es ein wenig steiler, und wir stiessen zum ersten Mal auf Schnee. Er war noch ziemlich hart, so dass das Laufen nicht allzu schwierig war. Bald ging es dann wieder ein wenig runter, und wir haben einen schneefreien geeigneten Platz zum Übernachten gefunden.
Der zweite Tag war sehr ähnlich. Das Wetter war super, der Schnee schön hart, und auch an diesem Tag haben wir ein wunderschönes Plätzchen gefunden mit super Aussicht, und wir haben sogar noch ein kleines Feuer gemacht. Was super gemütlich war.
Am dritten Tag waren wir ohne Halt im Schnee. An diesem Tag war der Sonnenaufgang besonders schön. Wir befanden uns etwas höher und hatten deshalb eine wunderbare Aussicht auf Berg und Tal. Aufgrund des Schnees haben wir bemerkt, dass wir doch etwas länger brauchten, und somit mussten wir unser eigentliches Tagesziel um 3–4 Meilen verkürzen. An diesem Tag mussten wir auf dem letzten Abschnitt erfahren, was es heisst, so richtig zu postholen im Schnee. Damit ist gemeint, dass man bei jedem Schritt tief in den Schnee einsinkt – oft bis zum Knie oder sogar zur Hüfte. Vor allem, wenn der Schnee weich oder bereits angetaut ist, trägt er das Körpergewicht nicht mehr, und jeder Schritt wird zu einer kleinen Kraftübung. Das macht das Vorankommen extrem anstrengend und frustrierend. Bei der Abzweigung zum Mount Whitney haben wir an einem super tollen Ort unsere Zelte aufgeschlagen. Der Mount Whitney ist der höchste Berg der USA (ohne Alaska) mit über 4‘400 m ü. M. Da aber zu viel Schnee lag auf dieser Höhe und die Wettervorhersage nicht super war, haben Oliver und ich uns gegen die Besteigung des Berges entschieden. Der Berg liegt nicht direkt auf dem Trail. Sehr viele PCT-Hiker besteigen ihn aber nachts, um oben den Sonnenaufgang zu geniessen. Stattdessen ging es für uns am nächsten Tag weiter zum Forester Pass. Der Forester Pass ist auf dem PCT ebenfalls sehr bekannt. Da einige der Gruppe trotzdem versuchen wollten, den Mt. Whitney zu besteigen (leider haben sie es nicht geschafft – zu viel Schnee), und andere etwas langsamer sind, waren wir ab da nur noch zu zweit unterwegs. Als wir starteten in der Nacht, schneite es etwa während 2 Stunden. Der Trail führte durch den Wald, die Navigation war nicht einfach und immer wieder fielen wir knietief in den Schnee. Meistens, wenn man sich in der Nähe von umgefallenen Bäumen und grossen Steinen/Felsen befand, bestand die Gefahr, dass der Schnee nicht hält und man einsinkt. Sich dann immer wieder auf den harten Schnee hochzukämpfen mit dem ganzen Gewicht, das man trägt, kostet doch einiges an Energie. Als es heller wurde und wir die Stirnlampe nicht mehr brauchten, kamen wir dann aus dem Wald heraus, und da war der Schnee viel besser. Zwar hatte es gut 10 cm frischen Pulver, aber darunter war der Schnee schön hart. Langsam näherten wir uns dem Pass. Wir konnten eine Felswand erkennen, links ein ganz kleines Couloir und rechts ein grosses Couloir. Als wir kurz vor dem Pass waren, wurde es steil. Ich führte, da Oliver doch etwas weniger Erfahrung in den Bergen hat und ich eigentlich meistens navigiere. Im Zickzack ging ich hoch Richtung grosses Couloir. Als ich checkte, ob ich auf dem Weg bin, habe ich bemerkt, dass etwas nicht stimmt. Wir waren zu weit rechts. Wie konnte das sein? Ich sagte Oliver, er solle auch mal schauen, und tatsächlich: Gemäss Farout sollten wir 2–3 Mal im Zickzack mitten in der Felswand hoch und fast zuoberst auch noch das kleine Couloir überqueren. Wir sahen uns an und fragten uns, ob das wirklich sein kann. Wir kehrten ein Stückchen um und näherten uns der Felswand. Und tatsächlich war da ein Weg, welchen wir von unten nicht sahen. Im Sommer ist der Weg eigentlich super und auch relativ breit. Mit dem Schnee war er aber ein wenig schmaler. Der Schnee war aber super, wir konnten richtig gute Schritte hineinzaubern und fühlten uns so sicher. Die 15 Meter, wo wir das kleine Couloir überqueren mussten, verliefen auch gut. Wir blieben ruhig, gingen Schritt für Schritt und kamen so sicher auf dem Pass an. Das ist auch der höchste Punkt auf dem gesamten PCT mit 4‘009 m ü. M. Oben angekommen, ging es die andere Seite runter. Die ersten 150 Meter sahen wir absolut nichts. Alles war absolut weiss. Wir wussten aber, dass der Trail auf dieser Seite nicht gefährlich war. Später sahen wir dann immer mehr Felsen und Bäume. Bis zum geplanten Zeltplatz ging es nur noch runter. Die letzten Kilometer waren allerdings wieder durch den Wald – was bedeutete, dass wir wieder regelmässig in den Schnee versanken. Als würde man uns den Boden unter den Füssen wegziehen. Wir machten aber einfach immer wieder weiter und weiter, bis wir ankamen. Insgesamt ein langer Tag, aber wir waren auch sehr stolz auf uns und wussten, dass dies einer dieser Tage ist, an den man sich gerne zurückerinnert. Als wir die Zelte aufgeschlagen hatten, hat es dann auch wieder angefangen zu schneien. Die meisten denken wohl nun an die Kälte und Nässe. Irgendwie war es für mich aber wunderschön. Gegen Kälte war ich bestens ausgerüstet. Und mit dem Schneefall sah alles so ruhig und sanft aus. Ein verschneites Zelt mitten im Wald und ein Bach daneben. Ich fühlte mich wirklich wohl und genoss den Moment.
Am nächsten Tag ging es über den Kearsarge Pass, wo wir dann mittels einer organisierten Person nach Bishop fuhren und wir uns erholten. Der erste Teil der High Sierras war wirklich beeindruckend. Doch wir wussten, dass es noch besser, vielleicht aber auch noch anstrengender wird. Denn vor uns lagen sechs zu überquerende Pässe zwischen Kearsarge Pass und Mammoth Lakes. Alle über 3‘000 m ü. M.
Doch um wieder auf den Trail zu kommen, mussten wir zuerst wieder über den Kearsarge Pass laufen. Und am gleichen Tag machten wir auch gleich den ersten der sechs Pässe – den Glen Pass. Ein relativ einfacher Pass und ein wunderschönes Tal mit zugefrorenen Seen auf der anderen Seite. Insgesamt hat es auf diesem Abschnitt unzählige Seen. Die allermeisten sind noch zugefroren. An manchen Orten hat es aber kleine Teile, wo man das Wasser sieht. Auch an diesem Tag. Als ich das sah, musste ich einfach ein Eisbad nehmen. Bei dieser Kulisse und mit der wärmenden Sonne war es einfach perfekt. Also tat ich das. Nach einigen Meilen hatten wir unser Ziel erreicht. Meistens läuft man dann wieder so weit runter, dass es schneefrei ist, und dort zelten wir dann auch, um am nächsten Tag den nächsten Pass in Angriff zu nehmen. Am zweiten Tag meisterten wir den Pinchot Pass. Auf der anderen Seite, am tiefsten Punkt bei einem Bach, sahen wir dann auch zum ersten Mal Bärenspuren im Schnee. Diese waren wahrscheinlich vom Vortag.
Als Nächstes kam der definitiv herausforderndste Pass – der Mather Pass. Die wohl steilste Stelle auf dem PCT, vor allem bei Schnee. Zuerst ging es steil gerade hoch. Mit Microspikes ging das erstaunlich gut. Nach 2/3 der Höhe mussten wir eine Traverse machen. Der Pass war nicht besonders hoch, aber sehr steil. Natürlich hatte es keine Spuren, da diese der zwei vor uns gegangenen Personen längst verschneit waren. Also machten wir uns unsere eigene. Wieder ging ich voran, Schritt für Schritt, langsam aber sicher, mitten in der ruhigen Nacht unter dem Sternenhimmel. Oben angekommen war ich überglücklich – und auch Oliver. Das war physisch und psychisch definitiv eine Herausforderung, die wir aber wunderbar gemeistert haben. Auch dieser Moment wird uns lange in Erinnerung bleiben.
Die restlichen Pässe (Muir Pass, Selden Pass und Silver Pass) waren im Vergleich viel einfacher und jeder auf seine Weise wunderschön. Zunehmend hatte es dann auch immer mehr Bachüberquerungen. Nicht immer hat es Brücken – eigentlich wirklich nur bei ganz grossen Bächen, wo es fast unmöglich war zu überqueren. Bei allen anderen Bächen muss man selbst einen Weg finden. Manchmal hat es Baumstämme, manchmal Steine, und manchmal sind wir auch einfach im Wasser gelaufen. Erstaunlicherweise hatte ich dank den Sealskin-Socken eigentlich nie kalte Füsse dabei. Und irgendwie fand ich die Bachüberquerungen aufregend. Bis auf einmal, als das Wasser wirklich zu hoch war und/oder die Strömung zu stark. Das ist auch der Ort, an dem es angeblich am schwierigsten ist auf dem PCT. Oliver und ich hatten es versucht – sind aber gescheitert. Mit der Sonne und der Schneeschmelze war es einfach zu riskant. Obwohl es noch relativ früh am Morgen war. Wir mussten also 1 Meile zurück hochwandern in Schnee, in dem wir wieder regelmässig knietief einfielen, und einen Umweg machen. Dort klappte es aber dann wunderbar mit der Überquerung. Am Morgen des siebten Tages kamen wir dann auch in Mammoth Lakes an. Was für eine Woche. Streng, aber unglaublich schön. Der wohl strengste Teil liegt nun hinter uns, und 1/3 des PCTs ist geschafft.
Vielleicht fragen sich einige jetzt, ob es nicht einfacher und schöner ist, abzuwarten, bis der Schnee schmilzt und erst dann die High Sierras in Angriff zu nehmen. Viele machen das auch. Sie gehen weiter in den Norden, laufen dort einen Teil des PCT und kommen erst Wochen später wieder zurück zu den Sierras. Natürlich habe ich mir das auch gefragt. Und nun ja – ich würde es definitiv nochmals genau gleich machen. Die Erlebnisse waren einfach unglaublich. Klar verpasst man gewisse Aussichten, weil man viel nachts unterwegs ist. Und es ist definitiv viel, viel anstrengender. Oft macht man dann auch nicht mehr viel, sobald man beim Zeltplatz ankommt, weil man einfach erschöpft ist. Das Erlebnis muss ganz anders sein, wenn man es bei schneefreien Konditionen macht. Aber ich fand es extrem schön, fühlte mich wohl und liebte die Herausforderung.
Nun geht es weiter Richtung Kennedy Meadows North. Weiterhin im Schnee, aber weniger Höhenmeter zu bewältigen. Und zum ersten Mal nach knapp 1‘500 km wechsle ich meine Schuhe. Mit dem Schnee, den Bachüberquerungen und dem Tragen der Microspikes haben sie doch sehr gelitten, und es ist Zeit für neue. Falls ihr euch fragt: Ich trage Norda 002 Schuhe. Die sind unglaublich langlebig und sehr angenehm. Ihr findet diese Schuhe auch in Bulle bei Trango Sport.
Leider sind auch meine beiden Stöcke gebrochen. Deshalb musste ich ebenfalls ein neues Paar Stöcke kaufen und bin somit bereit für den nächsten Abschnitt.
Wow! Richtig stark! Und Mammoth Lakes - da bekomme ich fast ein wenig Heimweh. :-) Weiterhin viel Erfolg & Spass!
P.S.: Perfekte Abwechslung zum Eisbaden sind die zahlreichen natürlichen Hot Springs um Mammoth Lakes :-)
Wow, tönt richtig anstrengend, aber eben auch schön und spannend! 👍