10) KANADA! 🇨🇦
- Yann Roma
- 24. Juli
- 3 Min. Lesezeit

Bevor wir den letzten Bundesstaat, Washington, in Angriff nahmen, gönnten Oliver und ich uns zwei wohlverdiente Ruhetage in Cascade Locks. Dieser Ort liegt direkt am Columbia River und ist der letzte grössere Ort auf dem PCT vor der kanadischen Grenze.
Am ersten Tag kümmerten wir uns um die Versorgung für den letzten Abschnitt. Wir hatten an zwei abgelegene Orte in Washington – besonders gegen Ende des Trails – jeweils ein Resupply-Paket geschickt, da die Einkaufsmöglichkeiten dort sehr begrenzt sind. Am zweiten Tag liessen wir es ruhig angehen und ruhten uns aus.
Passend dazu war der 4. Juli – der amerikanische Unabhängigkeitstag. Am Abend versammelte sich die ganze Gemeinde auf einer kleinen Halbinsel. Es wurde gegrillt, gepicknickt, gespielt und gefeiert. Ein friedliches, fröhliches Fest, das mit einem bunten Feuerwerk endete.
Am 5. Juli überquerten wir die legendäre Bridge of the Gods – ein symbolischer Moment: Von Oregon nach Washington, dem letzten Staat auf dem Pacific Crest Trail. Hier begann der letzte Abschnitt meines langen Weges.
Den ersten Tag liefen Oliver und ich noch gemeinsam, danach trennten sich unsere Wege. Da wir unterschiedliche Pläne nach dem PCT hatten, wollte Oliver etwas schneller unterwegs sein – ich entschied mich, das Tempo etwas zu drosseln und die letzten Wochen bewusster zu geniessen. Zum ersten Mal seit Langem war ich wieder allein unterwegs.
Washington gilt unter PCT-Hiker:innen als besonders eindrucksvoll. Die ersten Tage erinnerten jedoch noch stark an Oregon – viel Wald, aber dafür deutlich mehr Höhenmeter. Und leider auch massenweise Mücken, die Pausen oft fast unmöglich machten.
Dafür begegnete ich meinem dritten Schwarzbären – wie auch die anderen verschwand er sofort, sobald er mich bemerkte. Trotzdem beeindruckend, diesen Tieren so nahe zu kommen.
Richtig ins Hochgebirge ging es bei den Goat Rocks – ein spektakulärer Abschnitt, mit fantastischer Aussicht auf den Mount Rainier, den höchsten Berg Washingtons (4’392 m). Der schneebedeckte Vulkan ragt weit über die umliegenden Berge hinaus und war besonders in den frühen Morgenstunden im Licht der aufgehenden Sonne ein Anblick, den ich nie vergessen werde.
Nach einem weiteren Abschnitt durch Wald kam ich zum Snoqualmie Pass. Dort begegnete ich vielen sogenannten SOBOS – also Hiker:innen, die den PCT von Norden nach Süden laufen. Der Austausch mit ihnen war spannend und viele erzählten mir, dass der schönste Abschnitt Washingtons noch vor mir liege.
Und tatsächlich – die Landschaft änderte sich: es wurde gebirgiger, die Täler tiefer, die Aussichten dramatischer. Die unzähligen Serpentinen führten mich von einem Tal ins nächste, vorbei an klaren Bergseen und Berglandschaften, die mich stark an die Schweiz erinnerten.
Tag für Tag rückte ich näher an den gewaltigen Glacier Peak heran – ein abgelegener Vulkan mit riesigen Gletschern und spektakulären Ausblicken. Die Landschaft hier war atemberaubend und gab mir einen letzten, kräftigen Motivationsschub. Denn ehrlich gesagt: Ich war inzwischen ziemlich erschöpft.
Nach dem Passieren des Glacier Peak erreichte ich High Bridge. Von hier aus nahm ich ein Bus nach Stehekin, dem letzten Verpflegungspunkt vor der kanadischen Grenze. Stehekin ist ein abgelegener Ort, der nur per Shuttlebus, Fähre oder Wasserflugzeug erreichbar ist – ganz ohne Strassenverbindung.
Dort gönnte ich mir einen saftigen Burger im einzigen Restaurant und übernachtete auf dem Campingplatz. Am nächsten Tag ging es mit dem Shuttle zurück zum Trail – auf die allerletzten Kilometer.
In dieser Gegend sind Schwarzbären besonders aktiv – und tatsächlich: Etwa vier Stunden nach dem Start stand einer direkt mitten auf dem Trail. Ich wartete geduldig, bis er sich in den Wald verzog – und ging dann ruhig weiter.
Am vorletzten Tag erreichte ich Harts Pass – den letzten Punkt auf dem PCT, der mit dem Auto zugänglich ist. Von hier aus muss man nach dem Erreichen der kanadischen Grenze wieder zurücklaufen. Früher durfte man bei der Grenze nach Kanada weiterwandern – mittlerweile ist das nicht mehr erlaubt.
Am späten Nachmittag zog ein Gewitter auf. Eigentlich war noch mehr Niederschlag angesagt, aber ich hatte Glück – es blieb bei kurzen Schauern. Insgesamt hatte ich während des gesamten Trails nur sehr wenige Regentage – also nahm ich’s locker.
Am 21. Juli, meinem 120. Tag auf dem PCT, war es dann so weit. Nach einigen letzten Stunden durch wunderschöne Landschaft – mit weiten Blicken, Bergen und Tälern – erreichte ich die kanadische Grenze und gönnte mir das Bier, das ich aus Stehekin mitgetragen hatte. Wie am Start an der mexikanischen Grenze steht auch hier ein Monument. Ich war angekommen. Nach 4’275 Kilometern mit unvergesslichen Erlebnissen, schönen wie auch anstrengenden Momenten und Begegnungen mit Menschen und Tieren habe ich mir meinen Traum erfüllt und blicke dankbar auf diese Reise zurück.
An diesem Tag bin ich auch gleich meine längste Tagesetappe gewandert: 67 Kilometer. Ich schlug mein Zelt ein letztes Mal in den Bergen auf, bevor es am nächsten Tag zurück nach Harts Pass – und dann zurück in die Zivilisation – ging.
Ich möchte mich von Herzen bei allen bedanken, die mich auf irgendeine Weise unterstützt oder meine Reise mitverfolgt haben.
Happy Trails



























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