6) Regen, Aquädukt & 1’000 km
- Yann Roma
- 30. Apr.
- 2 Min. Lesezeit

Am Donnerstag, 17. April, habe ich Agua Dulce verlassen, wo ich die Nacht verbracht hatte. An diesem Tag hatte ich zum ersten Mal richtig unschönes Wetter: Nebel und Nieselregen begleiteten mich ab dem frühen Morgen. Je höher der Weg führte, desto kälter und windiger wurde es – eine wenig angenehme Kombination. Regen, Wind und Kälte sind auf dem Trail eine wirklich fiese Mischung.
Also beschlossen Oliver und ich, ordentlich Tempo zu machen, um unser Tagesziel schnell zu erreichen, einen halbwegs geschützten Zeltplatz zu finden und uns im warmen Schlafsack aufzuwärmen. Glücklicherweise hielt das schlechte Wetter nur einen Tag an. Am nächsten Morgen gab es noch etwas Nebel, aber am Nachmittag zeigte sich endlich wieder die Sonne – und damit konnten wir auch unsere durchnässten Sachen trocknen.
Einen Tag später erreichten wir Hikertown – ein etwas schräges, aber legendäres Dörfchen am Beginn des berühmten L.A. Aquädukts. Der Aquädukt transportiert seit über 100 Jahren Wasser aus dem Owens Valley bis nach Los Angeles – ein essenzielles Infrastrukturprojekt für Südkalifornien. Der Abschnitt ist auch deshalb so berühmt auf dem PCT, weil die meisten Wanderer ihn nachts durchqueren, um der brütenden Hitze zu entgehen.
Bei uns war es zwar warm, aber nicht mörderisch heiss – wir starteten trotzdem früh um 5 Uhr morgens, um möglichst angenehm durchzukommen.
Und just an diesem Morgen hatten wir das Glück, Zeugen eines Starlink-Launchs zu werden. Erst dachten wir, wir sehen einen Meteoriten – ein strahlendes Objekt am Himmel, mit Schweif. Dann erklärte uns jemand, dass es ein Raketenstart von SpaceX sei. Ein bisschen weniger cool als ein Meteorit, aber trotzdem ziemlich beeindruckend.
Das Laufen entlang des Aquädukts selbst war nicht besonders spannend – gerade, endlose Strecken auf Beton oder Schotter – aber der Moment, endlich einmal selbst auf diesem legendären Abschnitt zu wandern, war dennoch speziell.
Anschliessend führte uns der Weg durch einen der grössten Windparks der USA: den Tehachapi Pass Wind Farm. Über 5’000 Windräder verteilen sich dort über Hügel und Täler – ein gigantischer Anblick. Der Windpark produziert rund 3’000 Megawatt Strom und zählt damit zu den leistungsstärksten Onshore-Windparks weltweit. Ein erheblicher Teil der erneuerbaren Energie Kaliforniens stammt aus dieser Region – je nach Jahreszeit werden hier bis zu 10 % des Strombedarfs des gesamten Bundesstaats gedeckt. Zwischen den riesigen, surrenden Rotorblättern entlangzuwandern war eindrucksvoll, fast ein bisschen surreal.
Nach einem wohlverdienten Zero Day in Tehachapi ging es weiter – und wenige Tage später war es dann so weit: Ich habe Kennedy Meadows South erreicht! Dieser kleine Ort gilt unter PCT-Wanderern als das symbolische Ende der Wüste und das Tor zu den High Sierras. Von nun an ändern sich Landschaft, Klima und Ausrüstung – statt Kakteen, Staub und Wind erwarten mich schneebedeckte Berge, alpine Seen und eine ganz neue Herausforderung.
Noch etwas hat sich in dieser Woche verändert: Ich habe die 1’000 Kilometer-Marke überschritten – das bedeutet, ein Viertel des gesamten Pacific Crest Trails liegt nun hinter mir.
Comments